Mehr als Worte.

150 Jahre Postkartengrüße

Ausstellung vom 21. August 2019 bis 2. Februar 2020 im Museum für Kommunikation Berlin

Vor ihrer Einführung am 1. Oktober 1869 noch als „unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ kritisiert, trifft die Postkarte den Nerv der Zeit: Sie erfüllt ein Massenbedürfnis nach vereinfachtem und raschem Informationsaustausch.

Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums erzählt die Ausstellung „Mehr als Worte. 150 Jahre Postkartengrüße“ die Geschichte von Entstehung, Entwicklung und Vielfalt eines Mediums.

Mit über 200.000 Exemplaren besitzt die Museumsstiftung Post und Telekommunikation eine der größten Postkartensammlungen Deutschlands.

Die Ausstellung im Museum für Kommunikation Berlin gibt nun Einblicke in die umfangreichen Bestände der Stiftung und erzählt die abwechslungsreiche Geschichte der Postkarte − von ihren Anfängen als Correspondenz- und Feldpostkarte über die Entwicklung zur Ansichts- und Bildpostkarte bis hin zu digitalen Versionen des beliebten Klassikers.

Geschichte

150 Jahre Postkarte

Entstehung, Entwicklung und Vielfalt eines Mediums

1865 – 1870

Aller Anfang ist schwer. Die Erfindung der Postkarte

1865 schlägt der Postreformer und Gründer des Reichspostmuseums – dem heutigen Museum für Kommunikation Berlin – Heinrich von Stephan die Einführung eines „offenen Postblattes“ als einfache und kostengünstige Alternative zum Brief vor. Kritiker äußern jedoch ihre Besorgnis um das Briefgeheimnis, die Wahrung der guten Sitten und befürchten sinkende Einnahmen. Vor allem wurde die „unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ beanstandet.

Ende Juli 1868 reichen dann fast gleichzeitig zwei Leipziger Bürger, der Buchhändler Friedlein und der Kaufmann Friedrich Wilhelm Pardubitz, beim Generalpostamt in Berlin je ein Muster einer „Universal-Correspondenz-Karte“ ein. Sie tragen vorderseitig einen Adressvordruck und Gebrauchsbemerkungen, rückseitig einen Vordruck von verschiedenen Fragen oder Antworten aus dem Familien- und Geschäftsleben. Der Absender sollte dem Empfänger durch das Markieren von aufgedruckten Phrasen seine Nachricht übermitteln.

Diese Vorschläge werden von der preußischen Postadministration abgelehnt. Die Begründung: durch die Anstreichungen auf der Karte gehe der Charakter einer Drucksache verloren und aus dieser werde ein Brief. Für die Bezeichnung „Correpondenz-Karte“, die später allerdings übernommen werden wird, bleiben Friedlein und Pardubitz jedoch die Namensgeber.

Die Idee einer „Correspondenz-Karte“ entspricht jedoch dem Zeitgeist und am 1. Oktober 1869 führt die österreich-ungarische Post die Neuerung ein. Allein in den letzten Monaten des Jahres 1869 verkauft die österreichische Postverwaltung drei Millionen Karten. Heinrich von Stephan kann seine Idee erst 1870 in Deutschland verwirklichen. Und auch dort kam die Erfindung beim Publikum hervorragend an. In Berlin werden am ersten Verkaufstag am 25. Juni 1870 mehr als 45.000 Exemplare veräußert.

Die erste Postkarte der Welt

Die erste geschriebene Postkarte der Welt wurde am 1. Oktober 1869 von Perg bei Linz nach Kirchdorf versandt und diente der Abstimmung eines Besuchs im Bekanntenkreis.
Das Original ist in der Schatzkammer des Museums für Kommunikation Berlin zu sehen.

Correspondenz-Karte, Erste Postkarte der Welt in Österreich-Ungarn am 01.10.1869 von Perg nach Kirchdorf verschickt, Vorder- und Rückseite © MSPT

1871 – 1905

Bilder sagen mehr als Worte. Von der Post- zur Ansichtskarte

Schon in den 1870er-Jahren kommen kreative Köpfe und findige Unternehmer auf die Idee, das neue Medium zum populären Bildträger weiterzuentwickeln. Sie versehen die Anschriftenseite der Postkarte mit kleinen Zeichnungen oder gedruckten Bildern. Die Größe des Bildes auf der Adressseite ist begrenzt, da die Lesbarkeit der Anschrift nicht beeinträchtigt werden darf. Mehr Bildraum bietet die Mitteilungsseite der Karte.

In den 1880er-Jahren werden dort in halber Postkartengröße Stadtansichten, Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele abgebildet. Den Konflikt zwischen Bildschmuck und Mitteilungsbedürfnis auf der Ansichts- und Textseite löst 1905 die Teilung der Adressseite: Auf der rechten Seite befindet sich nun die Anschrift. Die linke Seite kann für schriftliche Mitteilungen genutzt werden. Die Rückseite steht somit vollständig dem Bild zur Verfügung.

1895 – 1914

Bunte Bilderflut. Die Ansichtskarte im Kaiserreich

Mit der Farbigkeit der Ansichtskarten Ende des 19. Jahrhunderts steigt ihre Beliebtheit als Kommunikationsmittel und Sammlungsobjekt. Ihre Blütezeit reicht bis zum Ersten Weltkrieg. Bis Kriegsausbruch 1914 werden in Deutschland viele Milliarden Postkarten hergestellt, verkauft und verschickt. Allein im Jahr 1900 befördert die Reichspost 440 Millionen Ansichtskarten. Schon damals macht der Begriff der „Bilderflut“ die Runde.

Kaum ein Thema wird ausgespart: Gruß- und Glückwunschkarten zu jeder Gelegenheit, Ansichten von Landschaften, Städten  und Dörfern. Abgebildet werden Vergnügungsorte, Kunst,  Sport, Liebe, Erotik  und viel Humor. Die Bandbreite umfasst Bilder aus der Politik, technischen Errungenschaften, aber auch Abbildungen von Katastrophen.

Schicksalsträchtige Postkarte. Der Untergang der "Titanic"

In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 ereignete sich im Nordatlantik eines der größten Unglücke der Seefahrtgeschichte: Die RMS "Titanic" kollidierte auf der Überfahrt von Southampton nach New York City mit einem Eisberg.

Was für viele Passagiere zunächst nach einem Zwischenfall aussah, den die Crew schnell unter Kontrolle bringen würde, führte schnell zur Katastrophe: Innerhalb von vier Stunden versank das als unsinkbar geltende Schiff in der Tiefe. Mit ihm fanden knapp 1.500 Passagiere ihre letzte Ruhestätte auf dem Grund des Atlantiks. Nur 712 Menschen wurden gerettet.

Ansichtskarte, "Le Titanic quittant Cherbourg avant son naufrage", mit Autogrammen von fünf Titanic-Überlebenden, Vorder- und Rückseite, 1912 © MSPT

Fünf der geretteten Passagiere hinterließen Jahre nach dem Unglück ihre Unterschriften auf der Postkarte „Cherbourg – Le ,Titanic‘ quittant Cherbourg avant son naufrage". Unter denjenigen, die die Karte signierten, ist Millvina Dean, die zum Zeitpunkt des Untergangs der „Titanic“ erst neun Wochen alt und damit die jüngste Passagierin auf dem Schiff war. Am 31. Mai 2009 verstarb sie als letzte Überlebende des Unglücks, 17 Jahre nach ihrem Bruder Bertram Vere Dean, der mit ihr und den Eltern auf dem Schiff war. Seine Signatur befindet sich ebenfalls auf der Karte.

Eine weitere Unterschrift stammt von Edith E. Browns, die auch mit ihren Eltern reiste. Ihr Vater, der für die Familie eine Zukunft als Hoteliers in Seattle erträumte, ertrank, nachdem er Frau und Kind in ein Rettungsboot geleitet hatte. Eva Hart, deren Signatur sich in der linken oberen Ecke der Postkarte befindet, war sieben Jahre alt, als das Unglück geschah. Beatrice Sandström, auch auf der Karte mit einem Autogramm verewigt, erfuhr wie Millvina Dean aus Erzählungen, was in der tragischen Nacht geschehen ist. Sie war zum Zeitpunkt des Unglücks erst zwei Jahre alt und mit ihrer Mutter und der zwei Jahre älteren Schwester auf dem Schiff. Alle drei überlebten.

Bei Sammlern sind Artefakte rund um den legendären Ozeandampfer sehr begehrt und Auktionshäuser melden für Fahrkarten, Speisekarten, private Gegenstände und Briefe immer neue Rekordsummen. Im April 1992 kam bei Christie’s in London ein Konvolut mit „Titanic“-Memorabilia, darunter Telegramme und einige Postkarten unter den Hammer. Unter den Bietern: das Museum für Kommunikation Frankfurt. Für 22 000 Dollar ersteigerte das Museum ein umfangreiche Telegramm-Konvolut, das Zeugnis ablegt von Krisen-Kommunikation in einer Extremsituation. Die Postkarte „Cherbourg – Le ,Titanic‘ quittant Cherbourg avant son naufrage" war als wertvolles Zeitdokument für 400 Dollar zu haben.

1914 – 1945

Gruß in die Heimat. Feldpostkarten im Ersten und Zweiten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg werden schätzungsweise 10 Milliarden Karten von deutschen Heeresangehörigen als kostenfreie Feldpostkarten versandt, darunter auch sehr viele Ansichtskarten. Erstmals ist für die Soldaten die Möglichkeit gegeben, Bilder von sich und ihrer Umgebung anzufertigen. Abgebildet werden vor allem Einzelpersonen oder Gruppen, aber auch Ruinen und sogar tote Menschen kommen als Postkartenmotive in Umlauf und tragen so zur visuellen Kommunikation des Krieges bei.

Nach dem Ersten Weltkrieg sinkt in Deutschland - auch aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage - der gesellschaftliche Stellenwert von Ansichtskarten. Auch die bislang weit verbreitete Sammelleidenschaft lässt etwas nach. Zudem kommen in den 1920er- und 1930er-Jahren neue Bildmedien wie Illustrierte und Sammelbilder in Umlauf.

In Anlehnung an internationale Entwicklungen gibt die Reichspost seit 1925 Postkarten mit Bilderschmuck unter dem Namen „Bildpostkarten“ heraus, die zu Werbezwecken im Auftrag von Stadt-, Bäder- und Kurverwaltungen hergestellt werden.

In der NS-Zeit erreicht die politische Propaganda auf Ansichtskarten eine neue Qualität, da der diktatorische Staat ihm genehme Motive initiiert, andere zensiert und verbietet. Der geschlossene Feldpostbrief verdrängt zur Kriegszeit aus Gründen der besseren Geheimhaltung die offene Post- und Ansichtskarte.

Postkartensprache

"Wetter schön, Hotel gut, Essen prima. Sonnige Grüße.“

Zum Erfolg der Postkarte trägt - neben dem günstigen Porto - das formelhafte Schreiben in Floskeln bei. Im Gegensatz zur elektronischen Kommunikation erwarten wir heute beim Versenden einer Postkarte keine unmittelbare Antwort mehr. Ein Dankeschön auf den Gruß „Schaut mal hin, wo ich bin, ich denke an Euch“ gehört aber immer noch zum guten Umgangston.

Ansichtskarte "Markengrüsse", Briefmarkensprache, bayerische Briefmarken und Liebespaar, um 1915 © MSPT

Geheime Botschaften

Anstand und Moral verbietet Verliebten den allzu expliziten Austausch von verbalen Zärtlichkeiten. Neben den Motiven der Briefmarken übermittelt daher auch die Art der Anbringung der Marken auf den Karten Geheimbotschaften an die Liebsten.

1945 – 1949

Getrennte Wege. Die Ansichtskarte in der Nachkriegszeit

Nach dem Zusammenbruch des NS-Staates kommt ab Mitte 1945 der Nachrichtenverkehr auf örtlicher und regionaler Ebene wieder in Gang. Unter Aufsicht der Besatzungsmächte und Anleitung der geschaffenen neuen Postbehörden betrifft dies zuerst Postkarten, dann Briefe.

Unpolitische Motive aus früherer Zeit finden weiter Verwendung. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Systeme im geteilten Deutschland bestimmen die Motive der neu produzierten Karten in Ost und West.

1949 – 1990

„Unsere sozialistische Heimat“. Die Ansichtskarte in der DDR

90 Prozent aller in der DDR hergestellten Ansichtskarten entstehen im Verlag Volkseigener Betrieb Bild und Heimat Reichenbach. Die Produktion beträgt jährlich 25 bis 30 Millionen Stück. Bis Mitte der 1960er-Jahre bestimmen Schwarzweiß-Postkarten das Bild. In den 1970er-Jahren wird die DDR auf den Ansichtskarten farbig. Die Postkarten sind Zeugnisse der sozialistische Plan- und Mangelwirtschaft. Die Druckqualität der Karten und ihre Motivvielfalt sind in der marktwirtschaftlichen Bundesrepublik größer.

Es gibt attraktive Motive von Sehenswürdigkeiten und Urlaubsorten, aber auch triste Ansichten von sozialistischen Plattenbauten und Propaganda-Motive. Die eingeschränkte Reisefreiheit für Menschen in der DDR begrenzt die internationale Grußkartenvielfalt in den Briefkästen.

Warum Postkarte?

Die Postkarte ist im Vergleich zum Brief ein Mittel der offenen Kurzkommunikation. Ihre Nutzung erfolgt hauptsächlich auf der persönlichen Ebene als Grußmedium und zum raschen Informationsaustausch über Verabredungen und Neuigkeiten oder als wirtschaftliches Kurzinformationsmittel, meist für terminliche Absprachen und Bestellungen von Waren.
In den Anfängen der Postkarte war das neue Kommunikationsmedium vor allem für diejenigen, die wenig geübt darin waren, sich schriftlich zu äußern, eine hervorragende Möglichkeit, Lebenszeichen, kurze Mitteilungen und Grüße zu senden.

1949 – 1990

Bunte Kartenwelt. Die Ansichtskarte in der BRD

Die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger kaufen und verschicken gern Ansichtskarten – vorzugsweise aus dem Urlaub im Inland, zunehmend auch aus dem Ausland. Die Bundespost befördert bis in die 1980er-Jahre Jahr für Jahr annähernd gleich viele Postkarten. 1954 liegt die Zahl bei 920, 1982 bei 877 Millionen.

Die Ansichtskarten zeugen vom wirtschaftlichen Aufschwung, von der Zunahme des Tourismus und der Mobilität der Menschen. Karten mit Firmen- und Parteienwerbung spiegeln Marktwirtschaft und Demokratie wider.

Der innerdeutsche Postverkehr zwischen den Menschen in der Bundesrepublik und der DDR ist Ausdruck der Verbundenheit der geteilten Nation. Die in die DDR gesandten Ansichtskarten wirken als Schaufenster des Westens.

Heute

Smarte Grüße. Die Ansichtskarte heute

Seit den 1990er-Jahren gehen die Herstellungs- und Versandzahlen von Ansichtskarten in der Bundesrepublik stark zurück. Werden 1998 noch knapp 400 Millionen Karten verschickt, beträgt das Postaufkommen 2017 nur noch 195 Millionen Karten.

Auch wenn private Post im Hausbriefkasten heute eher die Ausnahme ist: Als Urlaubsgruß, Glückwunschschreiben, Humorkarte oder Sinnspruchkarte ist die Ansichtskarte trotz WhatsApp & Co nach wie vor beliebt. In keinem Urlaubsort und in keiner Großstadt fehlen Ansichtskarten mit Sonne, Meer und Strand oder markanten Bauwerken.

Gleichzeitig entstehen neue Formen im Umgang mit dem Medium Postkarte. Dies beweisen Initiativen wie Postcrossing: Über die Internetplattform finden sich weltweit Hundertausende und senden sich Karten zu.

Postcrossing

Postcrossing ist ein Projekt an dem alle teilnehmen können. Dabei sendet und empfängt man Postkarten an und von anderen Personen auf der ganzen Welt. Mittlerweile gibt es über 700.000 „Postcrosser“ in 213 Ländern. Insgesamt haben die Postkarten bereits über 266 Milliarden Kilometer hinter sich gebracht, das ist über 6 Millionen Mal um die Erde.

Um eine Karte zu schreiben, meldet man sich auf der Plattform www.postcrossing.de an und bekommt per Zufall die Adresse eines anderen, registrierten Mitglieds zugelost. Auf die versendete Karte schreibt man einen Identifikationscode, der bei Ankunft durch die Empfangenden bestätigt wird. Nun kann man auch selbst Karten von anderen Mitgliedern erhalten.

Postkartenthemen

Ansichtskarte "Souvenier d' Egypte", verschleierte Frau, Pyramiden in Gizeh, Platz mit Denkmal und Theater, 1899 © MSPT

Beeindruckend schnell

Die am 1. Mai 1899 in der ägyptischen Hafenstadt Port Said geschriebene und abgestempelte Urlaubskarte erreichte schon nach einer Woche, am 8. Mai, ihr Ziel in Schwerin. Die Karte war, wenn sie mit einem deutschen Postdampfer befördert wurde, dreieinhalb Tage nach Neapel unterwegs. Danach ging es mit der Eisenbahn durch Italien und Österreich bis nach Norddeutschland.

Künstlerpostkarte "Zur Jahrhundertwende", Personen in antiker Kleidung reichen sich vor einer aufgehenden Sonne und technischen Errungenschaften der modernen Zeit (Eisenbahn, Dampfschiff, Fabrik) die Hand, 1900 © MSPT

Frohes neues Jahrhundert!

„Tempi pasati“, ein von neuen Erfindungen geprägtes Jahrhundert geht zu Ende! Eine Telegrafenlinie, eine Lokomotive, qualmende Fabrikschornsteine und ein Dampfer vor der aufgehenden, alles erleuchtenden Sonne: Die symbolträchtige Karte feiert im Jahr 1900 Erfindungen, die sich durchgesetzt haben, und präsentiert die Technologie als Wegbereiter in eine strahlende Zukunft.

Postkarte „Die furchtbare Katastrophe auf der Hochbahn zu Berlin am 26. September 1908. Die Unglücksstätte“, U-Bahnhof Gleisdreieck, 28.11.1908 © MSPT

Ereignisreich

Ende des 19. Jahrhunderts hielt auch die Fotografie Einzug in die Welt der Ansichtskarten. Im Unterschied zu bisherigen zeitaufwendigen Druckverfahren konnten fotografische Aufnahmen von Naturkatastrophen, geschichtlichen Ereignissen oder auch Personen zeitnah, oft von einem Tag auf den anderen, als Ansichtspostkarte in die Welt versandt werden. Die Fotopostkarte, ergänzt um einen handgeschriebenen Text, wurde ein wichtiges und schnelles Informationsmedium.

Kolononialpost, Ansicht eines Dampfers, eines Adlers und Landkartenausschnitt Kiautschou, 1898 © MSPT

Kolonialpost

Die deutsche Kolonialherrschaft von 1884 bis 1919 spiegelt sich in einer Vielzahl von Postkarten wider. Der koloniale Blick der Motive basiert auf der rassistischen Auffassung vom überlegenen deutschen „Herrenmenschen“, der die „Veredelung der Wilden“ durch Erziehung, Arbeit und harte Strafen erreicht.

Die Motive der Karten zeigen den Aufbau von Infrastruktur zur Verwaltung und Ausbeutung der Kolonien, die Hierarchie zwischen den deutschen Kolonialherren und den Kolonisierten sowie die empfundene „Exotik und Wildheit“ der Menschen und Natur in den Kolonien. Viele Ansichten lassen erkennen, dass Kolonialherrschaft Gewaltherrschaft ist und Widerstand sehr hart und oft auch blutig bestraft wird.

Ansichtskarte mit antisemitischer Karikatur auf einem Klebezettel des Hotels Kölner Hof in Frankfurt am Main, 18.08.1902 © MSPT

Antisemitismus

Judenfeindschaft findet sich im Kaiserreich auch auf Postkarten. Antisemitische Parteien, Verbände und Verlage nutzen die Karten für ihre Propaganda. Die Motive bedienen rassistische Klischees, darunter körperliche Attribute und gesellschaftliche Stereotype. Verbreitet sind antisemitische Aufkleber auf Postkarten, mit denen Hotels und Gaststätten dafür werben, dass sie Juden nicht als Gäste akzeptieren.

Ansichtskarte "Gruss...", Jahrmarktgetümmel und Attraktionen, 18.07.1899 © MSPT

Sensationslust

Karten mit Jahrmarktszenen wurden im Kaiserreich gern verschickt. Die Motive warben für die dem Wandergewerbe zugehörigen Vergnügungseinrichtungen. Besonders die Zurschaustellung von Abnormitäten bediente die Sensationslust des Publikums. Dieser Gruß vom Dessauer Schützenplatz ging 1898 nach Berlin.

Ansichtskarte "Wie könnt ich Dein vergessen, bist ja mein Alles auf der Welt!", Liebespaar in verschiedenen Posen, um 1910 © MSPT

Liebesgrüße

Für Verliebte gibt es Postkarten mit sich küssenden Paaren, voller Sentimentalität und melodramatischer Leidenschaft. Die Karten zeigen meist Reproduktionen der im Kaiserreich beliebten Salonmalerei oder Atelierfotografien. Verziert sind diese oft mit Gedichten und Sinnsprüchen. Die Liebes- und Sehnsuchtsbotschaft der Motive ist offensichtlich, die geschriebenen Texte dagegen deuten aus Gründen der Moral und des Anstands die Beziehung meist nur an. Auch entbindet die Kürze der Postkartentexte die Korrespondierenden von brieflichen Formulierungskünsten.

Gruß- und Glückwunschkarte "Fröhliche Ostern", 1900 © MSPT

Feste und Glückwünsche

Es gehört zum guten Ton, sich zu religiösen Festen und zum Jahreswechsel Glückwunschkarten zu senden. Grüße zu Weihnachten und Neujahr sind seit alters her Brauch. Die Wünsche zu Ostern, Pfingsten und zum Geburtstag etablieren jedoch erst die Kartenverlage.

Glückwunschkarten zur Geburt, zum Namenstag, zum Schulanfang, zur Konfirmation und zur Hochzeit sind heute beliebt, bleiben zu den Anfängen des Mediums aber eher Ausnahmen.

Prägepostkarte "Gruss aus Ansbach", Kleeblatt mit vier Ansichten, um 1900 © MSPT

Viele Grüße aus …

„Gruß-aus-Karten“ stellen wahrscheinlich die größte Gruppe der verschickten Ansichtskarten dar. Die höchsten Auflagen erzielen solche mit Sehenswürdigkeiten von nationalem und internationalem Rang. Das Überschreiben der Ansichten ist verpönt. Aufwendig gestaltete Mehrbildkarten sind schon früh sehr beliebt.

Postkarte von Reichelsheim nach Leipzig, 10.12.1955 © MSPT

Post von Drüben

Die Zeit der deutschen Teilung von 1945 bis 1990 ist eine Zeit des Briefe- und Kartenschreibens zwischen Ost- und Westdeutschland. Ab den 1970er-Jahren passieren jährlich bis zu 190 Millionen Briefe und Karten die innerdeutsche Grenze. Die Postsendungen dokumentieren nicht nur den Alltag im geteilten Deutschland, sondern sind auch Zeugnisse einer privaten Kommunikation, die der politischen und räumlichen Trennung entgegenwirken soll.

Prägepostkarte Katze im Korb, 1905 © MSPT

Tierische Freunde

Hunde und Katzen sind die am häufigsten auf Postkarten abgebildeten Tiere. Aber auch Vögel, Hasen und Rehe erfreuen sich großer Beliebtheit. Die oft vermenschlicht dargestellten und seelenvoll dreinblickenden Geschöpfe sprechen innerhalb der Käuferschaft vor allem Tierliebhaberinnen und -liebhaber an.

Prägepostkarte "Fröhliche Weihnachten", 24.12.1908 © MSPT

Zeitlose Motive

Die Motivvielfalt auf Postkarten ist nahezu unbegrenzt. Zugleich gibt es bei anlassbezogenen Karten immer wiederkehrende Motive. Die Karten aus dem Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem NS-Staat sowie aus der DDR und der Bundesrepublik unterscheiden sich zwar hinsichtlich Drucktechnik und Papierqualität, die Weihnachts- und Ostermotive ähneln sich jedoch verblüffend.

Sammlung

Die Ansichtskartensammlung der MSPT

Vom Reichspostmuseum zu den Museen für Kommunikation

Es ist der 8. Januar 1886, als das Kuratorium des Reichspostmuseums in Berlin beschliesst, eine Sammlung von Postkarten anzulegen, „(…) die mit Ansichten von Städten, Badeorten, Aussichtspunkten, öffentlichen Gebäuden, Denkmälern, festlichen Aufzügen usw. illustriert sind“. Aber wie vorgehen? Mithilfe der Oberpostdirektion werden alle Bezirkspostanstalten und Verleger aufgefordert, ein Exemplar der bereits produzierten und aller zukünftigen Postkarten an das Reichspostmuseum zu übersenden.

Die Flut der eingesandten Exemplare bringt das Museumsarchiv allerdings schon nach wenigen Jahren an seine Grenzen. 1901 erfolgt daher eine zweite Anweisung: Die eingesendeten Postkarten sollen sich fortan auf Motive beschränken, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Post- oder Fernmeldewesen stehen. Eine Ausnahme bilden künstlerisch besonders wertvolle Exemplare oder diejenigen, die als besonderes Einzelstück eine bestimmte Produktionstechnik dokumentieren.

So gelangen im Laufe der Zeit rund 200.000 Post und Ansichtskarten in die Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation. Sie ist damit eine der größten Sammlungen Deutschlands.

Im Ersten Weltkrieg ergänzt die Feldpostkarte die Sammlungsbestände. Sie dokumentiert den Kriegsalltag und einzelne Schicksale aus einer Perspektive jenseits der Führungsstäbe.

Im Zweiten Weltkrieg wird das Berliner Postmuseum mit seinen Sammlungen stark in Mitleidenschaft gezogen. Ab den 1950er-Jahren beginnt man daher, die über Jahre aufgebaute Post- und Ansichtskartensammlung zu rekonstruieren. Objekte müssen wiederbeschafft und in neuen Räumlichkeiten gelagert werden. Die Teilung Deutschlands führt außerdem dazu, dass weitere kleinere postalische Sammlungen an verschiedenen Standorten entstehen. Sie werden nach der Wiedervereinigung und der Gründung der „Museumstiftung Post und Telekommunikation“ als Folge der Privatisierung der Bundespost zusammengeführt und als aussagekräftige kulturgeschichtliche Bildquelle neuentdeckt.

Seit dem Wandel der Postmuseen zu Museen für Kommunikation nimmt die MSPT nicht nur die Motive als wichtige zeithistorische Dokumente, sondern auch die geschriebenen Kommunikationsinhalte als aussagekräftige kulturgeschichtliche Quelle mit in den Blick.

Digitale Briefsammlungen

Neben Postkarten gehört der Brief als Kommunikationsmittel zu den ältesten Sammlungsobjekten der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.

Lesen und recherchieren Sie in unseren digitalen Briefsammlungen in mehr als 3.000 Briefen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und der Zeit der deutschen Teilung.

Kontakt

Ansprechpartner

Dr. Veit Didczuneit
Abteilungsleiter Sammlungen
Museum für Kommunikation Berlin
Telefon: +49 (0)30 713 027 10
E-Mail: v.didczuneit*mspt.de

Dr. Veit Didczuneit ist der Kurator der Ausstellung „Mehr als Worte. 150 Jahre Postkartengrüße“. Er leitet seit 2006 die Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation am Standort Berlin. Dort ist er für die Sammlungsbereiche der Brief- und Schreibkultur zuständig. Bei Rückfragen zur Ausstellung ist er gern behilflich.

 

So erreichen Sie uns

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